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Does school kill creativity? Ein paar Gedanken zur Kreativität und zur kreativen Erziehung unserer Kinder zum Muttertag

Erstmal an alle Mamas da draußen: happy Muttertag! Ich hoffe, ihr werdet von euren Kindern und Männern ein bisschen verwöhnt und habt ein herzliches Danke ausgesprochen bekommen.

Meine Mutter hat gestern gerade noch rechtzeitig die Karten zum Muttertag bekommen, die ich Dienstag gezeichnet hatte. Und sie hat sich sehr gefreut. *grins*und_sei_ein_bisschen_stolz*

Heute dachte ich mir, ich schreibe mal zum Thema Kreativität, um zum Nachdenken anregen, was wir über Kreativität denken und dass man selbst “nicht kreativ sei”.

Mir ist in den letzten Jahren immer bewusster geworden, dass wir bzw. die meisten Menschen ein zwiespältiges Verhältnis zur Kreativität haben und sich selbst einreden, sie seien nicht „kreativ“ und könnten nicht zeichnen, malen, singen usw. und berauben sich damit der Möglichkeit, auch als Erwachsener einfach mal Spaß zu haben und eine Freude wie früher als Kind zu verspüren. Und ich vermute, dies hat auch mit unserem Schulsystem zu tun. Aber fangen wir mal von vorn an.

1. Wir haben ein zwiespältiges Verhältnis zur Kreativität

Einerseits finden wir Kreativität toll, vor allem wenn es andere machen. Wir gucken „die Kreativen“ ehrfürchtig, bisweilen neidisch, und manchmal auch abwertend an. Zugegeben manche Künstler führen sich auch ein bisschen – ich sag mal – extravagant auf und manche „Art Directors“, die ich kennen gelernt habe, wenn ich mit Agenturen gearbeitet habe, kamen echt arrogant rüber. Zum Zirkel der „Kreativen“ gehört eben nicht jeder. Das muss man sich schon erarbeiten. Und wenn man dann drin ist, dann grenzen sich manche bewusst von den „Normalos“ wie mir ab. Klar, das ist jetzt übertrieben und auch ein bisschen schwarz-weiß, aber ihr versteht, was ich meine, oder? Und ja, ich habe das einige Male so wahr genommen. Andererseits habe ich natürlich auch viele extrem nette „Kreative“ kennen gelernt und bewundere ganz viele so sehr!
Seht ihr, das ist dieser Zwiespalt. Erstmal, ist man hin und her gerissen, wer sind denn nun die ominösen „Kreativen“ und „Künstler“, finde ich die dann sympathisch oder sind sie mir suspekt und gehöre ich dazu?

 

2. Wir reden uns ein, wir könnten diese ganzen kreativen Techniken nicht und berauben uns damit der Möglichkeit, ganz viel Spaß zu haben

Kannst du zeichnen? So einigermaßen wenigstens? So, dass man es erkennt? Wenn nicht, dann gehörst du zu den ca. 90% der Menschen, die sagen, dass sie nicht zeichnen könnten. Dabei unterlaufen uns mindestens zwei Denkfehler, wenn wir diese Frage verneinen.

Erstens, ist es ja wohl total subjektiv, was „zeichnen können“ bedeutet. Wir haben nur so eine Ahnung, wenn wir Illustrationen und Zeichnungen in Büchern sehen, dass wir das nicht könnten, also können wir nicht zeichnen. Dabei sind das natürlich Profis. Ich kann ganz gut Snowboard fahren. Zumindest komme ich jede Piste runter, kann ein paar – zugegebenermaßen kleine – Tricks, habe mich schon in die Halfpipe gewagt und Tiefschnee kann ich auch fahren. Vor allem, es bringt wahnsinnig viel Spaß. Aber mit einem Profi vergleichen würde ich mich niemals!
Warum gilt das beim Zeichnen nicht? Warum ist der Maßstab beim Zeichnen oder künstlerischen Schaffen das, was wir in Büchern oder fancy Werbefilmen sehen – sprich die Arbeit der Profis?

Zweitens, ich habe doch gar nichts von wegen „gut“ gefragt. Es ging nur um das bloße Zeichnen an sich. Und das kann ja wohl echt jeder. Aber bei der Frage schaltet der Kopf sofort die Annahme ein, dass es um „gut zeichnen“ ginge. Wobei „gut“ wieder subjektiv ist… Aber egal.
Was mich vielmehr überrascht ist, dass wir einerseits ehrfürchtig und mit großem Respekt die Leute dann anschauen, die sagen, dass sie zeichnen können oder wenn wir erleben, wie jemand mal schnell ein Porträt oder eine Karikatur auf Papier zaubert. Aber wir nehmen das hin mit dem Gedanken, „ich kann das ja nicht“. Anstatt es lernen zu wollen. Dabei kann man sich so schnell verbessern. Ich meine, ich habe seit meiner Kindheit/Jugend bis letztes Jahr ungefähr gar nicht gezeichnet. D.h. meine Zeichenfertigkeiten waren quasi auf dem Niveau eines 13-jährigen Mädchens.
Und dann mit ein paar Informationen, Tipps und ein paar Stündchen Übung wurde es schon signifikant besser.

Das Gute am Zeichnen lernen ist, dass man a) schnell Fortschritte macht (weil die meisten von uns eben als Kinder oder Teenager aufgehört haben, und b) total schnell andere Leute beeindrucken kann. *grins*
Die gehören meist (noch) zu den 90% oben erwähnten Leuten, die glauben, gar nicht zeichnen zu können.

Das sind doch super Voraussetzungen. Ich finde, man sollte sich einfach mehr zutrauen und nicht so hart mit sich sein. Hey, die Chancen stehen gut, dass du seit dem Kunstunterricht in der Schule es auch gar nicht mehr ernsthaft versucht hast bzw. geübt hast. Ich wette, hättest du in der 9. Klasse (bei mir war es ungefähr dann, weil wir dann nämlich nur noch „Kunsthistorik“ im Unterricht gemacht haben und interpretieren mussten, wie Kirchen in welcher Epoche gebaut wurden… Yeah… *schnarch*) aufgehört, ich meine, ganz aufgehört irgendwelche Texte zu schreiben, du könntest heute dich an die Rechtschreibung nicht erinnern. Oder nehmen wir das Beispiel einer Fremdsprache. Hättest du in der 9. Klasse komplett aufgehört, Englisch zu lernen, würdest du dich heute noch an IRGENDETWAS davon erinnern geschweige denn englische Texte verstehen oder selbst sprechen können?
Wir geben uns gar nicht die Chance, zeichnen zu können. Oder zu malen. Oder zu singen. Und dabei bringt es echt Spaß – finde ich. Aber das ist natürlich Geschmacksache.

 

3. Wir sind gar nicht schuld daran. Das ganze System ist darauf ausgerichtet

Unsere ganze Gesellschaft wird in dem Glauben erzogen und ausgebildet, dass Mathematik, Sprachen und Naturwissenschaften wichtiger und ehrwürdiger sind als das kreative Schaffen. Ist ja auch verständlich, denn das braucht unser Land, unsere so schöne “Volkswirtschaft”, der “deutsche Mittelstand” usw. Unsere ganze Gesellschaft funktioniert nur, weil wir Unternehmen haben, die Güter produzieren und alle irgendwie Geld verdienen, mit denen sie diese Güter konsumieren können. Und wir haben diesen „Wohlstand“, weil wir das Ganze effizienter und technisch weiter entwickelt machen als andere Länder. Würden unsere Schulen nur noch Tänzer und Sänger hervorbringen und wären die Ingenieure die „armen Deppen“ in der Uni, wer würde denn “die Wirtschaft“ voran bringen?

Ich will die Sinnhaftigkeit des Systems und dieser Denke an sich gar nicht bestreiten. Und ich finde das Schulsystem an sich ja auch richtig und ich finde auch, dass Lehrer einen unheimlich anstrengenden und wahnsinnig wichtigen (!) Job haben. Mathematik ist natürlich extrem wichtig! Und Sprachen und alle anderen Fächer auch! Da ist schon viel Sinn dahinter. Und ich darf auch gar nicht urteilen, da ich   keine Ahnung vom Schulsystem heute habe. Ich finde nur, dass wir insgesamt in vielen Fällen den Dingen, die für unsere Wirtschaft gut und wichtig sind, einfach sehr viel Bedeutung beimessen. Das ist in vielen Fällen berechtigt und wichtig, denn davon leben wir ja, aber manchmal geht es auch zu weit:

Ich habe vorhin einen TED Talk von Ken Robinson gesehen. „How schools kill creativity“ ist der Titel. Ken Robinson erklärt darin – auf SEHR lustige Art und Weise *lach* – dass jedes Schulsystem der Welt Kreativität kaputt macht.

Picasso sagte wohl einmal, alle Kinder würden als Künstler geboren werden, aber das Problem sei, es zu bleiben, während man aufwächst.

Robinson sagt, die Schule erziehe uns aus der Kreativität weg. Man sähe das daran, dass es in jedem Schulsystem der Welt eine Hierarchie der Fächer gäbe: am höchsten geschätzt würden Mathematik und die Sprachen. Gefolgt von den Humanwissenschaften. Am Ende der Skala würden immer die Künste stehen. Und auch innerhalb der Künste gäbe es wiederum eine Hierarchie: überall würde Kunst und Musik zumindest noch besser oder mehr gelehrt und ernst genommen als Schauspiel und Tanz.
Ich kann das total nachvollziehen. Es gab eine Theater-AG in der Schule – Schauspiel stand gar nicht auf dem regulären Stundenplan. Und Tanzen, naja, da gab es in der Oberstufe „rhythmische Sportgymnastik“. Das war das, was dann die in Ballsportarten untalentierten Mädchen wählten und dafür von den Jungs aufgezogen wurden. Nee, damit konnte man auch nicht beeindrucken. Kunst und Musik, ja das gab es als eigene Fächer. Aber nur 2 Stunden pro Woche und in manchen Jahren auch nur entweder oder.
Mathematik dagegen. Uiiiii.. gaaanz wichtig! Wer in Mathe gut war, war quasi immer schlau und sofort hoch angesehen von den Lehrern. Entweder weil sie selbst gut in Mathe waren oder weil sie nicht gut in Mathe waren und selbst davon beeindruckt waren. Ebenso galt das für Naturwissenschaften und dann mit etwas Abstand auch für die Fremdsprachen und Deutsch.
In der Uni hielt das dann an. Ich habe BWL studiert und mich manches Mal gefragt, warum man denn IMMER rechnen musste. OK, ich mag ja rechnen, aber es war schon extrem. Und eine gute Note konnte man immer nur erzielen, wenn man auch extrem schnell und richtig rechnen konnte. Ich habe mal einen Kollegen gehabt, der in Lernphasen immer „schnell in den Taschenrechner tippen“-Lernblöcke gemacht hat. Macht das etwa einen guten Unternehmer aus? Sollte der nicht auch in der Ausbildung daran bewertet werden, wie er mit Menschen (Angestellten später) umgeht, mit Ressourcen (der Umwelt) oder den Kunden? Ob er ethische Werte vertritt? Würde das unsere Wirtschaft vielleicht ein bisschen humaner und ökologisch denkender machen?
Und auch in den Forschungspapieren im Fachbereich Marketing – der ja ursprünglich der Bereich mit dem höchsten „kreativen“ Anteil ist – auch dort wird heute eigentlich nur noch mit den abgefahrendsten statistischen Methoden gerechnet. Weil man das am besten beurteilen kann.
In jedem akademischen Bereich gilt es ja immer darum, das Beste, die Besten heraus zu filtern und von diesen dann die Disziplin weiter entwickeln zu lassen.
Das sagt auch Ken Robinsons und führt dafür zwei Gründe an:
Erstens, das allgemeine Schulsystem wurde in der Zeit der Industrialisierung entwickelt (davor wurden ja quasi nur Adlige, Geistliche und sehr vermögende Leute ausgebildet bzw. geschult). Und was brauchte man? Leute, die in der Wirtschaft arbeiten konnten. Also wurden die Fähigkeit gelehrt, die der Industrialisierung halfen – Ingenieure, Mathematiker und Naturwissenschaftler, die neue Methoden entwickelten und Fabriken bauen konnten. Dazu noch Buchhalter, die das wichtige Gut Geld im Auge behielten.

Zweitens, das System würde ja von akademischen Ehrenträgern selbst (Professoren) erarbeitet und weiter entwickelt. Und wir wissen ja alle, dass man das, was man selbst kann und gelernt hat, am ehesten weiter trägt, und dass man sich am ehesten mit den Leuten befasst, die einem ähnlich sind in ihren Einstellungen und Werten. Man könne es wohl so sagen, dass das der akademische Klüngel sich sein System für seines Gleichen zimmert.
Am Ende schließt Ken Robinson damit, dass wir Intelligenz und Kreativität neu bewerten sollten, da die Zeit so schnelllebig ist und wir mit den bisher entwickelten Methoden nicht mehr lange weiter machen können, da wir die Erde ausbeuten. Schaut es euch am besten hier einmal selbst an. Der Vortrag dauert nur 20 min. und ist nebenbei ECHT WITZIG! Wie gesagt, hier noch einmal der Link: https://www.ted.com/talks/ken_robinson_says_schools_kill_creativity

Super spannend ist auch der Dokumentarfilm „Alphabet“ von Erwin Wagenhofer. Hier wird am Anfang gezeigt, wie in aller übertriebener Form in China heutzutage über Mathematik-Wettbewerbe in der Grundschule und Zertifikaten für alle möglichen Höchstleistungen ein schon wahnwitziger Drill erzeugt wird. Wagenhofer sagt, 98% aller Kinder kämen hochbegabt zur Welt. Nach der Schule seien es nur noch 2%! Und das ist nur der Anfang des Films!
Den Film kann man leider nicht kostenlos ansehen, aber bei itunes “ausleihen”. Ist sehr entertaining gemacht und echt interessant! Vielleicht habt ihr ja noch nichts heute Abend am Muttertag vor. *zwinker*

 

In diesem Sinne möchte ich allen nur Mut machen, es einfach mal selbst auszuprobieren. Zeichnet irgendetwas nach (z.B. Eulen) oder lasst euren Stift einfach unbewertet (!!! das ist nur die linke, mathematisch-logische Gehirnhälfte, die immer alles kommentiert und beurteilt) über ein Papier fliegen. Einfach nur so. Nur für euch. Nur des Spaßes wegen. Und macht es mit euren Kindern, wenn ihr welche haben solltet. Ermutigt sie, einfach zu malen, zu kritzeln.

Oder sucht euch bei Youtube einen alten Lieblingssong aus, dreht ihn voll laut auf und tanzt wild dazu. Kann man auch wunderbar mit Kindern machen…

Und überdenkt vielleicht einmal, ob Mathematik wirklich die faszinierendste Fähigkeit ist und ob es überhaupt „die Kreativen“ gibt. Wir sind eigentlich alle kreativ, da wir alle diese rechte Gehirnhälfte besitzen! Wir schulen, schätzen und nutzen eben nur jahrelang fast ausschließlich die linke!

 

Liebste Greetz

Silja

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